Wie man eine Wohnung in Berlin loswird

Man könnte meinen, in Berlin gingen Wohnungen weg wie warme, glutenfreie Semmeln. Meine ehemalige Vermietungsgesellschaft – die mit den bunten Häuserfassaden in Neukölln – sah das scheinbar anders.

Wenig begeistert reagierte die Sachbearbeiterin #1 auf meine Kündigung Anfang Dezember, obwohl ich ihr versprach, schnellstmöglich einen Nachmieter zu suchen. Auf ihren Einwand, dass dies generell nicht üblich sei, entgegnete ich ihr, dass ich selbst Nachmieterin sei. 1:0 für mich.

Die gleiche Dame hatte ich beim Einzug vergeblich versucht, von Airbnb zu begeistern, aber trotz Verweis auf die Airbnb Gastgebergarantie lies sich da nichts machen. Man wolle keinen Präzedenzfall schaffen. Berlin zeigte sich wieder einmal von seiner umcharmanten bürokratischen Seite – ein Habitus, den man seit Mauerbau nicht abgelegt hatte. Auch nicht im Westen.

Nachdem Frau A. nach dem dritten Anlauf meine Kündigung akzeptierte, verwies sie mich auf eine andere Abteilung zwecks Prüfung der Nachmieter. Man wolle sich kulant zeigen, soll heißen: Sie zahlen bitteschön drei Monate weiter und dann schlagen wir vor in Kraft treten der bevorstehenden Mietpreisbremse noch mal ordentlich was drauf. 

Um einen Nachmieter zu finden, der sich bereit erklärte, möglichst viele Möbel zu übernehmen und ins Karma zu investieren, inserierte ich meine Wohnung zunächst nur im erweiterten Facebook-Freundeskreis. Dabei hatte ich übersehen, dass sich dort und in der Berliner Gründerszene auch Freiberufler, Berufsanfänger in der Probezeit und EU-Ausländer befinden. Das gefiel der kulanten Hausverwaltung jedoch gar nicht. Herr T. unterschlug systematisch Bewerbungen, sagte potenziellen Nachmietern ohne meine Kenntnis ab, legte Bewerbungsformulare auf den Stapel für eine andere freigewordene Wohnung im gleichen Haus und ließ sich immer wieder neue Kriterien einfallen, die nicht jeder normalsterbliche Mensch erfüllen kann: Nettoeinkommen mindestens 1.900 EUR/Monat, Bürgschaften, erhöhte Kaution, etc.

So langsam wurde ich nervös und begann meine Möbel auf ebay zu inserieren. Am Tag meiner Abschiedsparty vereinbarte ich vormittags einen Termin mit der Hausverwaltung zur Abnahme. Der Ansprechpartner kam mit Taschenlampe bewaffnet und leuchtete eine gute Stunde in jede Ecke und gab auch die kleinste Macke zu Protokoll. Endergebnis – wenig überraschend – alles müsse renoviert und gestrichen werden (inklusive Zimmerdecken). Unter besenreiner Überlassung einer kaum abgenutzten Wohnung verstand ich allerdings etwas anderes.

Am 23. Dezember konnte ich meinem Nachmieter die neue Warmmiete mitteilen, der Aufschlag hielt sich glücklicherweise in Grenzen, vermutlich, weil bereits bei mir und meinem Vormieter auf die durchschnittliche Neuköllner Miete aufgeschlagen wurde. Man würde sich zwecks Übergabetermin schnellstmöglich bei mir melden. In diesem Jahr würde das aber nichts mehr werden, wegen der Feiertage und so.

Als ich Berlin endgültig den Rücken kehrte, gab ich meine Schlüssel einer guten Freundin, die meinen Nachmieter über ihre Düsseldorf-Connection sogar über zwei Ecken kannte und verabschiedete mich schweren Herzens von meinem wunderschönen, riesengroßen Zuhause im Hipsterkiez.

Ich hörte erst wieder vom Übergabetermin, als dieser offiziell geplatzt war, da meine Vollmacht scheinbar fehlte. Ich gab klein bei, regelte die Übergabe mit meinem Nachmieter und schickte die Vollmacht hinterher. Glücklicherweise hielt ich mich zu dem Zeitpunkt in London auf und konnte unsere englische Marketingagentur davon überzeugen, ein Stück Papier nach Deutschland zu schicken, da die E-Mail dort noch nicht hinreichend verbreitet zu sein schien.

Nun galt es nur noch die Kaution zurückzubekommen. Diese darf bekanntlich nicht mit der ausstehenden Miete verrechnet werden. Die Vermieter machten dies natürlich trotzdem und behielten auch gleich den Februar mit ein, obwohl der Betrag bereits vom Nachmieter beglichen worden war. Netterweise hatte man mir in der Zwischenzeit eine neue Sachbearbeiterin zur Verfügung gestellt, die widerwillig die korrigierte Kaution – abzüglich der Januarmiete – überwies…

Richtig kündigen: Bürokratie made in Germany

Ich habe sechs Jahre lang immer wieder an der Greencard Lottery teilgenommen, bevor ich tatsächlich gewonnen habe. Ein weiteres Jahr und viele ausgefüllte Formulare später, hielt ich das lang ersehnte grüne Ding endlich in meiner Hand. Nach einem kurzen Intermezzo in New York, bewarb mich auf eine interne Stelle in San Francisco. Als ich meinen neuen Arbeitsvertrag Ende Dezember unterzeichnete, war ich bereits intensiv mit der Abwicklung meiner Berliner Existenz beschäftigt. Ich hatte mir fest vorgenommen, zum Jahreswechsel einen klaren Schnitt zu machen und meine 30jährige Verbindung zur deutschen Heimat so sauber wie möglich aufzulösen. Trotz meiner demonstrativen Zielstrebigkeit, stellten mir Freunde, Bekannte und Kollegen immer wieder die absurde Frage wie lange ich denn beabsichtige, in den USA zu bleiben? Viel mehr Verständnis hatte ich allerdings für die hochgezogenen Augenbrauen der US Grenzbeamten, die mich bei jeder Einreise als Permanent Resident Alien fragten, wann ich denn endlich in die USA ziehen würde? Meine Antwort: ASAP. Für mich ist die Greencard ein One-Way-Ticket, auf das ich lange gewartet habe. Ich habe zu oft im Ausland gelebt, um eine weitere zeitlich begrenzte Auslandserfahrung zu sammeln. Ich bin Anfang 30, nicht Anfang 20. Ich wollte erst mal für immer auswandern. Und deswegen erschien es mir sinnvoll komplett mit Deutschland Schluss zu machen.

Wenn Ihr es mir nachtun wollt, dürfte die folgende Checkliste hilfreich sein:

  1. Abmeldung bei der (Berliner) Meldebehörde: Dies ist das zentrale Dokument, das einem die Kündigung aller anderen Verträge vereinfacht. Leider stellen die Berliner Bezirksämter einem diesen Wisch maximal zwei Wochen vor der Ausreise aus. Wer ähnlich ungeduldig ist wie ich, kann versuchen mit der Kündigung der Wohnung, des Arbeitsvertrages oder eines Schreiben des alten oder neuen Arbeitgebers versuchen, andere Verträge zu kündigen.
  2. Wohnungskündigung: Wer einen solventen Nachmieter findet, kommt meist vor Ablauf der üblichen dreimonatigen Mindeskündigungsfrist, aus dem Mietvertrag raus. Da ich es mit einer höchstbürokratischen Verwaltungsgesellschaft zu tun hatte, stellte sich dieser Prozess als eine meiner nervigsten Baustellen heraus – meine Kaution habe ich bis heute nicht erhalten. Die Weihnachtsfeiertage und die bevorstehende Mietpreisbremse erschwerten die Kündigung ebenfalls. Eine Untermieterregelung kann eine Alternative sein. Dies schien mir im Kontext des sauberen Schlussmachens allerdings zu inkonsequent.
  3. Abos, Internetanbieter, etc: Dinge wie Bahncards, Nahverkehrsabos, Internet- und Festnetzverträge, Vereinsmitgliedschaften etc. sollten sich mit der Abmeldebestätigung und etwas Kulanz des Anbieters schnell abwickeln lassen. Wenn ich einen Award für den schlechtesten Kundenservice im Rahmen der Kündigungen vergeben würde, dann hätte Vodafone ihn mit Abstand gewonnen. Nach 21fachem Hinundher entschied ich mich die weiterhin munter abgebuchten Beiträge, zurückzubuchen. Erst dann erhielt ich eine freundliche Abschiedsemail.
  4. Versicherungskündigungen: Schnell wurde mir klar wie konservativ und überversichert wir Deutschen sind. Berufsunfähigkeit, Unfälle, Haftpflicht… Da ich beabsichtigte, NICHT mehr in Deutschland gemeldet zu sein, prüfte ich sorgfältig, welcher meiner Anbieter mich global weiterhin schützte und welche Verträge ich besser auflösen und in den USA neu abschließen sollte. Für mich sah das in etwa so aus:
  • Auslandskrankenversicherung: Weltweiter Schutz auch ohne deutschen Wohnsitz.
  • Berufsunfähigkeit: Weltweiter Schutz auch ohne deutschen Wohnsitz.
  • Betriebliche Altersvorsorge: Muss rechtzeitig aufgelöst werden, wird sonst zum Kündigungszeitpunkt der Beschäftigung eingefroren und erst im Rentenalter ausgezahlt. Meist gibt es die Möglichkeit, die Zahlungen weiterzuführen, was allerdings wenig sinnvoll ist, da man von dem Steuervorteil beim Umzug in ein anderes Land nicht profitiert.
  • Haftpflicht: Kein weltweiter Schutz bei Wohnortwechsel.
  • Krankenversicherung: Lässt sich mit Abmeldeversicherung unkompliziert kündigen. Man sollte allerdings vorher sicherstellen, dass man in der neuen Heimat ausreichend versichert ist. Wer vorhat, irgendwann zurück nach Deutschland zu kommen, kann eine Anwartschaft eingehen und einen monatlichen Beitrag zahlen, um sicher zu stellen nach Rückzug wieder in eine gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen zu werden. Ich habe mich für Harakiri und gegen den monatlichen Ablass entschieden.
  • Lebensversicherung: Weltweiter Schutz auch ohne deutschen Wohnsitz.
  • Unfallversicherung: Kein weltweiter Schutz bei Wohnortwechsel.
    ACHTUNG: Diese Informationen können von Anbieter zu Anbieter variieren!