Heute waren wir bei Generalkonsul Hans-Ulrich Südbeck in der Deutschen Residenz zu Gast und haben ihn bei einem Käffchen für unseren Podcast interviewt.
Hans-Ulrich trat 1991 ins Auswärtige Amt ein. Im Anschluss an die zweijährige Ausbildung und einen Einsatz im Auswärtigen Amt folgten Auslandsposten in Den Haag, Kiew und Belgrad. Zudem war er in Berlin und an der deutschen EU-Vertretung in Brüssel für den Westlichen Balkan und das Zivile Krisenmanagement der EU zuständig. Von 2012 bis 2013 leitete er die Außenstelle in Masar-e-Sharif als ranghöchster ziviler Vertreter beim Regionalen Kommando Nord in Afghanistan.
Seit August 2017 Jahren lebt der geborene Wuppertaler mit seinem Partner und seinen zwei Kindern in San Francisco und vertritt Deutschland als Generalkonsul an der Westküste der USA. Wir haben mit Hans-Ulrich über seine Karriere beim Auswärtigen Amt, seinen diplomatischen Alltag und die Unterschiede zwischen Deutschen in Deutschland und dem Silicon Valley gesprochen.
Kati: Du bist ja schon richtig lange beim Auswärtigen Amt…
Hans-Ulrich: Ja, meine wirkliche berufliche Laufbahn ist einzig und allein beim Auswärtigen Amt. Jeder mit einem Master kann sich beim Auswärtigen Amt bewerben – egal, ob Zahnarzt, Psychologe, Pfarrer, Historiker, Wirtschaftswissenschaftler oder Politikwissenschaftler. Die Ausbildung beginnt mit einem Crashkurs in Völkerrecht, Namensrecht, Geschichte, Wirtschaft, Englisch, Französisch oder einer weiteren VN-Sprache. Damals gab es 2.500 Bewerber und 60 Plätze, heute gibt es 2.500 Bewerber und 30-40 Plätze. Ohne Vorbereitung hat man keine Chance den schriftlichen Test zu bestehen. Meine Empfehlung für alle Bewerber ist, sich vier Wochen lang mit der Literatur, die man auf der Webseite des Auswärtigen Amts findet, auseinanderzusetzen. Im mündlichen Teil der Aufnahmeprüfung muss man einfach man selbst sein und das Auswärtige Amt überzeugen, das man mit allen Lagen, zurecht kommt, und mit Chauffeuren und Übersetzern genauso gut umgehen kann wie mit Staatspräsidenten. Das schöne ist, dass man alle paar Jahre einen völlig neuen Job hat, z.B. als Pressereferent in Singapur und dann als Wirtschaftsreferent in der Ukraine und dann als Länderreferent für Bulgarien und Rumänien… man hat also eine inhaltliche und örtliche Veränderung. Ich finde es auch sehr spannend, die Kollegen kennenzulernen und habe von jedem Posten 1-2 gute Freundschaften für den Rest des Lebens mitgenommen.
Kristina: Wie würdest du deinen Job in einem kurzen Satz zusammenfassen?
Hans-Ulrich: Mein Job besteht darin, die Besonderheiten an den verschiedenen Orten herauszuarbeiten und die deutschen Interessen dort zu vertreten.
Kristina: Zählt San Francisco für dich zu den guten oder schlechten Städten?
Hans-Ulrich: San Francisco ist aus vielen Gründen für uns eine top Location: Als schwules Paar mit zwei Kindern finden wir hier gesellschaftliche Akzeptanz vor. Es gibt wunderbare Schulen und Freizeitaktivitäten, ein fabelhaftes Klima, die Gelegenheit die Natur und die Küste zu erkunden. Beruflich bin ich hier als Generalkonsul ein “kleiner König” in meiner kleinen Firma. Als Generalkonsul ist man hier nicht ganz so fest in die Pflichtstruktur des Auswärtigen Amtes eingebunden. An anderen diplomatischen Posten gibt es eine sehr strenge Aufgabenzuweisung; vor allem in kleineren Ländern bekommt man mehrmals am Tag diplomatische Vorgaben und vertritt die deutsche Position. Hier habe ich mehr Freiheit wie ich meine Tage fülle. Es gibt unendlich viele spannende Themen.
Kati: Wie gibst du Innovationen aus dem Silicon Valley an möglichst viele Menschen in Deutschland weiter?
Hans-Ulrich: Das Königsmittel unserer Disziplin ist das Berichteschreiben und wir entscheiden, wer in der Bundesregierung unsere Berichte erhält, z.B. das Kanzleramt, das Forschungsministerium, das Wirtschaftsministerium, das Familienministerium oder das Gesundheitsministerium. Es ist kein Geheimnis, dass es Unterschiede gibt in den Emotionen, die wir Deutschen gegenüber neuen Technologien häufig zeigen im Gegensatz zu den eher optimismusbeflügelten Kaliforniern. Die erste Reaktion hier ist oft: “herrlich, fabelhaft, hat riesige Chancen, wollen wir tun” und in Deutschland “wir müssen das erst mal prüfen, sind da unsere Freiheitsrechte bedroht, haben wir ethische Bedenken?”. All das sind sehr valable Gesichtspunkte, dennoch besteht die Gefahr, dass man vor lauter Sorge, die man den neuen Technologien gegenüber zum Ausdruck bringt, auch Chancen verpasst, in dem man sich bestimmten Entwicklungen verschließt. Vieles von dem, was sich hier entwickelt, kommt, ob wir das wollen oder nicht. Die Möglichkeit für Deutschland sich den Konsequenzen zu entziehen ist geringer als man denkt. Wir müssen nicht alles übernehmen, aber uns diesen Fragen stellen und unsere wichtigen Kritikpunkte einbringen. Aber wir können das nicht einfach ablehnen, verbieten und abhaken. In Deutschland führen wir keine ausreichende Debatte über die neuen Technologien, ihre Chancen und Gefahren. Diese Botschaft wollen wir von hier nach Deutschland bringen. Wir bitten jeden Besucher, diese Debatte in Deutschland anzustoßen, voranzubringen und seinen oder ihren Beitrag zu leisten.
Kati: Warum glaubst du, dass es gerade jetzt wichtig ist, dass sich Deutschland die USA als Partner im Rahmen der wunderbar together Initiative ausgesucht hat?
Hans-Ulrich: Ich bin als typischer Wessi aufgewachsen, in der Überzeugung, dass neben den EU-Partnern die USA unsere besten Freunde sind. Die Beziehung und die Freundschaft zwischen Deutschland und den USA geht tiefer als unterschiedliche Ansichten auf politischer Ebene. Deshalb ist es wichtig, dass wir im Rahmen der wunderbar together Initiative diese Freundschaft feiern und neue Formen der Zusammenarbeit fördern zum Beispiel auf lokaler und regionaler Ebene. Mich freut, dass wir bisher nur positive Rückmeldungen bekommen haben. Ein erfolgreiches Beispiel ist die Städtepartnerschaft zwischen San Francisco und Kiel. Die Freundschaftsbewegung hat keine Anti-Washington-Speerspitze und wurde sogar von Präsident Trump begrüßt, der selbst deutsche Ursprünge hat.
Kati: Wie unterscheiden sich Deutsche im Valley von Deutschen in Deutschland?
Hans-Ulrich: Die Franzosen und die Italiener im Valley glucken enger zusammen als die Deutschen. Hier gibt es sehr viele Deutsche, die an einflussreichen Posten sitzen und unendliche Erfahrungen gesammelt haben, basierend auf ihrer Ausbildung in Deutschland, häufig aber kein besonderes Interesse daran haben, in Kreisen mit anderen Deutschen zu verkehren. Aus Sicht der Bundesregierung besteht die Gefahr, dass wir hier eine wichtige Ressource brach liegen lassen: Menschen, die in Heidelberg oder Hannover studiert haben, im Valley erfolgreich sind und gern etwas zurückgeben wollen. Wir müssen eine Willkommenskultur und Anknüpfungspunkte schaffen, z.B. mit einer Tour durch deutsche Universitäten, die Studenten “How to do business in Silicon Valley” näherbringt. Wir als Generalkonsulat versuchen die Deutschen etwas näher zusammen zu bringen und den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Austausch nach Deutschland zu stärken. Die Bundesregierung könnte hier auch stärkere Anreize setzen.
Kati: Was nimmst du dir für die restliche Zeit vor Ort vor?
Hans-Ulrich: Wir leben im Zukunftslab der Welt, an jeder Straßenecke kann man Nobelpreisträger treffen, viele hier sind die Allerbesten in ihrem Fachgebiet weltweit, auch wenn sie auf den ersten Blick etwas nerdy aussehen. Ich frage mich natürlich, was meine Kinder lernen müssen, damit sie in der Welt von 2030 zurechtkommen. Wie können sie neue Technologien nutzen und diese gleichzeitig kritisch hinterfragen? Ich freue mich dies auch zurück nach Deutschland zu transportieren. Ich lasse mich nicht nur durch die Ratio, sondern auch durch Menschen und Emotionen leiten und lerne so neue Themen kennen. Man muss hier mit einem offenen Auge und Ohr hinkommen und die Chancen wahrnehmen, die sich ergeben. Delegationen, die hierher kommen und glauben in ein bis zwei Tagen das Silicon Valley aufsaugen zu können, sollten besser Zuhause bleiben. Es lohnt sich, hier länger zu bleiben. Es gibt hier viele brilliante Institutionen, unter anderem das Zentrum der 4. Industriellen Revolution, welches sich mit den Zukunftsfragen dieser Welt auseinandersetzt.
Hier geht’s zur Folge:
Wie immer freuen wir uns über deinen Kommentar 🙂